trampage.de > Geschichte > Straßenbahn Offenbach
Am 18. Februar 1884 wurde der erste Abschnitt der elektrischen Straßenbahn zwischen Frankfurt und Offenbach eröffnet. Die Strecke führte von der Alten Brücke in Frankfurt zunächst bis nach Oberrad, wo am Buchrainplatz ein Depot errichtet wurde. Am 10. April 1884 konnte dann die restliche Strecke bis zum Mathildenplatz in Offenbach in Betrieb genommen werden. Als vierte elektrische Bahn in Europa und erste elektrische Straßenbahn mit langjährigen Linienbetrieb gehört sie zu den Pionieren des elektrischen Antriebs. Daher ist auch die Art der Stromabnahme ungewöhnlich. Betrieben wurde die Bahn mit 300 Volt Gleichstrom, der aus zwei nach unten geschlitzten Rohren entnommen wurde in denen jeweils ein Kontaktwägelchen lief. Damit der Strom nicht durch die Räder lief waren diese aus Holz. Da sich Holzräder aber leichter abnutzten und manchmal in den Schienen verkanteten, soll die Fahrt ziemlich holperig gewesen sein. Im Volksmund bekam die Bahn daher den Namen "Knochenmiehl" (Knochenmühle). Die Initiative zum Bau der Bahn kam von privater Seite aus Offenbach. Der Kommerzienrat Weintraut erhielt zusammen mit dem Kaufmann Alexander Weymann und dem Offenbacher Bankhaus Merzbach die Konzession für die Strecke, deren Bau 780.000 damalige Mark gekostet haben soll. Die neue Straßenbahnverbindung wurde gut angenommen. Bereits im ersten Jahr sollen rund eine Million Menschen die Bahn genutzt haben. Bei einem Fahrpreis von 20 Pfennigen erzielte die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG) im ersten Betriebsjahr so Tageseinnahmen zwischen 178 und 1399 Mark. 1905 wurde die meterspurige Bahn anteilig von den Städten Frankfurt und Offenbach übernommen und die Strecke abschnittsweise auf Regelspur umgestellt. Zuletzt fuhr die "Knochenmiehl" nur noch auf dem Abschnitt Buchrainplatz - Mathildenplatz, bis der Betrieb am 28. Oktober 1906 auch dort endete. Die FOTG war so der Vorläufer der heutigen Straßenbahnlinie 16, die aber seit 1996 an der Stadtgrenze endet.
Bis 1967 wurden fast alle Linien der Offenbacher Straßenbahn eingestellt. In der Nachkriegszeit hatte man statt in die Straßenbahn in neue Obusstrecken investiert. Doch die Ära der Obusse ging auch schon Ende der 60er Jahre zu Ende. 1972 fuhren die letzten O-Busse. Einzig die Straßenbahnstrecke zwischen Frankfurt und Offenbach Marktplatz blieb zunächst erhalten. Sie bot eine schnelle Verbindung zwischen der Offenbacher Einkaufszone und den Frankfurter Stadtteilen Oberrad und Sachsenhausen. Um von Frankfurt nach Offenbach zu kommen brauchte man aber zwei Fahrscheine, da Offenbach nicht dem Frankfurter Verkehrsverbund (FVV) beigetreten war. So war eine Fahrt auf dem kurzen Stück zwischen Oberrad und Offenbach unverhältnismäßig teuer, was potentielle Fahrgäste abschreckte. Die S-Bahn zwischen Offenbach und Frankfurt, die 1995 mit dem Start des RMV eröffnet wurde, zog weitere Fahrgäste ab. Bürgerproteste, u.a. aus der Oberräder Bevölkerung und von Verkehrsinitiativen, verhinderten zunächst die gleichzeitige Stilllegung. Doch auch im Tarifsystem des RMV blieb die Tarifhürde, da die Stadtgrenze gleichzeitig Tarifgrenze war. Zudem machten Offenbacher Geschäftsleute Lobbyarbeit gegen die Straßenbahn, da sie eine reine Fußgängerzone haben wollten. Dies führte soweit, dass in der Fußgängerzone eine Radarfalle für die Straßenbahn aufgebaut wurde um Verstösse gegen das Tempolimit von 7 km/h zu ahnden. Ein Jahr später hatte die Offenbacher Kommunalpolitik ihr Ziel erreicht. Am 1. Juni 1996 fuhr die Linie 16 zum letzten Mal nach Offenbach. Heute ist die Straßenbahnstrecke säuberlich an der Stadtgrenze abgeschnitten, von wo mit einem Fußweg in die Offenbacher Stadtbusse umgestiegen werden muss. Insbesondere bei Störungen oder Streiks der S-Bahn wird diese Verbindung von vielen Fahrgästen genutzt.
Am 10.04.1996, den 112. Geburtstag des elektrischen Straßenbahnbetriebs zwischen Frankfurt und Offenbach, charterte der Fahrgastverband "Pro Bahn" zwei Wagen des Ebbelwei-Expreß. Mit der Fahrt wurde für den Erhalt der Straßenbahn in Offenbach demonstriert und auf die lange Tradition der Verbindung aufmerksam gemacht.
Das Regierungspräsidium in Darmstadt genehmigte die Stilllegung des Offenbacher Streckenabschnitts der Linie 16 nur unter der Auflage, dass die Strecke noch für einen bestimmten Zeitraum betriebsbereit gehalten würde. Damit sollte der Offenbacher Politik noch eine Chance zum umdenken gegeben werden, die man jedoch nicht nutzte. Im Gegenteil: Bereits kurz nach Stilllegung wurden die Schienen abschnittsweise zugeteert. Um auf diesen Verstoß der Stilllegungsauflagen aufmerksam zu machen, unternahmen am 5.September 1996 "Pro Bahn" und die Oberräder Stadtteilinitiative DALLES eine "Inspektionsfahrt" mit einer Handhebeldraisine der Wetterauer Eisenbahnfreunde.
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